Ostermarsch-Reden von pax christi-Repräsentanten
24. Mrz 2008
Damit sind wir schon mitten drin im Problemfeld ZKB und politische Chancen gewaltfreier Alternativen. Daraus leite ich zugespitzt meine Anfangsthese ab:2003 habe ich einmal formuliert: Wenn wir in der Friedensbewegung nur protestieren und nicht Alternativen aufzeigen, werden wir unseren Ansprüchen und Aufgaben nicht gerecht. Und wenn die Gesellschaftswelt es nicht schaffen wird, der Staatenwelt mehr abzuringen an Selbstkritik und Selbstkorrektur im Bereich von Menschenrechten und Friedensarbeit, von sozialer Gerechtigkeit und Schutz der Wirtschaftlichen, Sozialen und Kulturellen Rechte (WSK), dann wird die Politik der Stärkeren dominieren, ja Kriegspolitik im Sinne von Verteilungskampf und Abschottungsstrategie der reichen Welt immer wahrscheinlicher und häufiger.
Heute muss sich sagen; wir haben es nicht noch nicht! - geschafft, der Staatenwelt, konkret: unserem deutschen Saat, soviel abzuringen, dass Zivile Konfliktbearbeitung normal und Kriegführen TABU wäre. Wir müssen unsere Anstrengungen verstärken.
Wie entstand das Konzept der ZKB?!
In den 90er Jahren haben wir nach der Ermutigung durch die Gewaltfreie Revolution in Deutschland (auch HIER!) und dem Schock des 2. Golfkrieges von 1991 begonnen, die friedens-pädagogischen Erfahrungen der 70er Jahre und die friedens-politischen Erfahrungen der 80er Jahre in diesem Konzept der ZKB zusammen zu führen und weiter zu entwickeln.
Hier nun eine Definition und Instrumente der ZKB (aus den Friedenspol. Richtlinien der Kooperation für den Frieden):
Definition Zivile Konfliktbearbeitung
ZKB ist der bewusste Einsatz nicht-militärischer Mittel zur Vermeidung, Beilegung und Nachsorge gewaltsamer Auseinandersetzungen. Der Grundgedanke ist die Suche nach Lösungen, die für alle Beteiligten eines Konfliktes akzeptabel sind. Auf keinen Fall sind ZKB-Maßnahmen in militärische Maßnahmen einzuordnen oder diesen unterzuordnen.
Instrumente der Zivilen Konfliktbearbeitung
Für internationale Konflikte werden u.a. folgende Instrumente der ZKB genutzt. Ich nenne sie analog der in UN-Militäreinsätzen üblichen Dreiteilung von peacekeeping - peacemaking peacebuilding.
Friedenssicherung und Gewaltprävention (peacekeeping):
Frühwarnsysteme, die rechtzeitig vor einem gewaltsamen Ausbruch warnen und Möglichkeiten aufzeigen, wie Gewalt verhütend eingegriffen werden kann. Genaue Beobachtung der Konfliktgegenstände, der Anliegen der Konfliktparteien, der Gefahren der Eskalation sowie der Sichtweisen aller Beteiligten.
Monitoring, d.h. die Beobachtung und Überwachung umstrittener Ereignisse, z.B. von Wahlen, um damit internationale Präsenz zu zeigen, zu dokumentieren und Öffentlichkeit herzustellen.
Schutz gefährdeter Personen durch Begleitung internationaler Beobachter.
Friedensschaffung, Problemlösungsansatz (peacemaking):
Stille Diplomatie zur Schaffung indirekter Kontakte zwischen verfeindeten Seiten;
Mediation, um in den Verhandlungsvorgang vermittelnd einzugreifen;
Traumaarbeit, um Gewalterfahrungen zu verarbeiten;
Stärkung der Konfliktbearbeitungskompetenz der Konfliktparteien durch Friedenserziehung, Beratung, Schulung u.s.w.;
Auch Schiedsgerichtsbarkeit, um durch positive und negative Sanktionen auf nicht-militärischem Wege Problemlösungen zu erreichen.
Friedenskonsolidierung (peacebuilding):
Aufbauhilfe, Entwicklungs-, Flüchtlings- und humanitäre Hilfe zur Stabilisierung des Friedens;
Kredite, Fachkräfte und Wiedereingliederungsbeihilfen;
Hilfen beim Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen zur Stärkung der zivilgesellschaftlichen Ebene und damit der Möglichkeiten der jeweiligen Gesellschaft, mit ihren Konflikten auf Gewalt vermeidende Art umzugehen.
Wir lernten viel in den zahlreichen Kursen und Curricula. Im kirchlichen Bereich des Oekumenischen Dienstes Schalomdiakonat mit mittlerweile Dutzenden von Einsätzen und im staatlich-gesellschaftlichen Bereich des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) mit mittlerweile Hunderten von Einsätzen und angestrebten 500 stets parallel eingesetzten Friedensfachkräften.
Wir lernten, dass es auf Geduld, Einfühlungsvermögen und die Organisation von Prozessen ankommt und nicht auf schnelle (und oft brüchige) Ergebnisse. Die Curricula des ZFD umfassen deshalb folgende 10 Ziele; es gilt Folgendes wahrnehmen, verstehen und bearbeiten zu können:
die Konfliktregion - die Konflikte selbst - die gesellschaftlichen Konfliktursachen - die Probleme der Geschlechterrollen /Genderaspekte - Interkulturelle Zusammenhänge - Friedensfördernde Strukturen (peace building) Gewaltfreiheit als Grundeinstellung und Methode - die Fähigkeit zur Teamarbeit - Technische Fähigkeiten bis hin zu Kenntnissen zu Minen, zu Militär- und Polizeistrukturen, zur Internet-Kommunikation und Erster Hilfe - Individuelle Entwicklung und Selbsteinschätzung. Dies reicht vom Umgang mit Aggressionen, Burnout und Konfliktfähigkeit bis zur Einschätzung der eigenen Rolle, der eigenen ethischen Grundlagen und de Fähigkeit, feedback zu geben und zu empfangen.
Hier ist nicht die Zeit, nun konkrete Projekte im Einzelnen zu schildern. (Vieles findet man auf den einschlägigen Webseiten, besonders www.peace-counts.org oder: www.forumzfd.de.) Ich denke an Friedensfachkräfte von pax christi in den Philippinen, in Kolumbien und in Sri Lanka, wo sie in Konfliktregionen, auch in heißen Konflikten, Friedenszentren mit lokalen Partnern aufbauen und behaupten; an den Ökumenischen Friedensdienst in Palästina und Israel, wo in internationalen Teams für jeweils 3 Monaten Menschrechtsbeobachtung, Öffentlichkeitsarbeit und eine Stärkung der geschundenen Bevölkerung geleistet wird.
Grundsätzlichbeet es darum, die festgefahrenen Feind-Fronten VOR, IN und NACH Konflikten aufzuweichen und zu überwinden!
ZKB und Militär
Militärs bauen solche Aspekte heute auch in ihre Auslandsvorbereitungen ein, aber extrem minimalistisch und eben nicht auf Gewaltfreiheit fußend. Deshalb ein paar Worte zum Verhältnis ZKB Militär: ZKB kann mit Militär kooperieren im konkreten Feld, wenn gegenseitige Bedingungen und Kompetenzen geachtet werden so haben es alle Entwicklungsorganisationen 2003 gefordert (VENRO-Papier).
Das Militär sollte aber schleunigst Aktivitäten eines Technischen Hilfswerks oder der Humanitären Hilfe etc. einstellen denn dazu ist es weder ausgebildet, befugt und qualifiziert noch wg. der existierenden Organisationen auf diesem Gebiet berechtigt. Solche Aktionen haben legitimatorischen Charakter und bestenfalls in Übergangssituationen ihre ausnahmsweise Berechtigung.
Dies gilt letztlich auch für die Übernahme von Polizeibefugnissen!
Das CIMIC-Projekt (zivil-militärische Zusammenarbeit) in Bosnien, Afghanistan und anderswo ist daraufhin neu zu befragen!
Vorsicht vor ideologischer Vereinnahmung durch Militär und Politik:
Die Behauptung: Militär ermöglicht erst ZKB und schützt die zivilen Experten! ist nachweislich falsch. Oft waren die Zivilisten vor den Militärs vor Ort.
ZKB kann als ideologisches Beiwerk für militärische Interventionen missbraucht werden.
Die Verteidigungspolitischen Richtlinien und das neuen Weißbuch der Bundesregierung benutzen immer mehr die präventive Sprache, fördern aber faktisch die Präemptive Kriegspolitik, wie sich seit Jahren zeigt.
Im Dialog zwischen Polizisten, Militärs, Zivilen Friedensfachkräften und Humanitären Helfern sollten die Erfahrungen aus Krisengebieten ausgewertet werden und wirklich zivil glaubwürdige Wege weiter entwickelt werden, die die lokale Entwicklung fördern statt ihr eine internationale Struktur aufzupfropfen. Dazu braucht es ein Umlernen der Militärs und neuer Ausbildungsprogramme für internationale Blauhelm-Kontingente, die in der Lage sein müssen, Gefahrenabwehr mit polizeilichen Mitteln zu gewährleisten - ohne militärische Strukturen und Methoden.
Was ist jetzt für uns in der Friedensbewegung dran?!
Schauen wir noch einmal auf die drei Golfkriege seit den 80er Jahren und unsere Reaktionen als Friedensbewegung, so sehen wir unseren mühsamen, aber stetigen Lernprozess:
In der Zeit der Abschreckung (80er Jahre) haben wir den Protest gegen Massenvernichtungsmittel aktiviert und nicht zuletzt als Reaktion auf den Irak-Iran-Krieg Kampagnen gegen Rüstungsexporte begonnen, wie, wir die Verflochtenheit unserer Industrie und Politik offen legen wollten.
In der Zeit der Abschottung der reichen Welt (90er Jahre) haben wir vielen Opfern von Ungerechtigkeit, Krieg und Zerstörung geholfen und nach dem 2. Golfkrieg 1991 Alternativen Ziviler Konfliktbearbeitung (ZKB) mit aufgebaut.
Nach dem 3. Golfkrieg, dem Irakkrieg 2003 nun gerade vor 5 Jahren - sind wir trotz massenhaften weltweiten Protestes der Realpolitik zunächst unterlegen und völlig neu herausgefordert worden, einer Ideologie des Demokratischen Imperialismus entgegen zu treten, die sich mit Freiheit und Religion gürtet, aber faktisch die militärische und ökonomische Dominanz der Welt in Zeiten der Globalisierung betreibt.
Neben unseren politischen und fachlichen Fähigkeiten sind nun auch unsere prophetischen gefragt. habe ich für pax christi einmal intern formuliert. D.h. unsere visionäre politische Kraft ist gefragt neben der bleibenden Notwendigkeit strategischer Analyse. Aber ebenso nötig sind Protest und praktische Alternativen: das Nein und das Ja der Friedensbewegung.
Politisch heißt das: wir brauchen auch den Dialog mit dem Teufel, d.h. mit Organisationen, die auf der sog. Terrorliste der EU und der USA stehen, z.B. Taliban, PKK, FARC. Diese Einsicht wurde vereinzelt in der deutschen Öffentlichkeit von Prominenten genannt, aber schnelle wieder verschwiegen: ich nenne Kurt Beck und Reinhard Höppner mit ihren nachdenklichen Worten zu den Taliban.
Konkret nehmen wir das Beispiel Afghanistan: auf der Strategiekonferenz der Kooperation für den Frieden legte Herbert Sahlmann 20 Punkte für eine zivile Alternative in Afghanistan vor. Er war jahrelang bis vor kurzem Entwicklungsbeauftragter des BMZ dort. Die Vorschläge kreisen sehr konkret um Dialog statt Gewalt, um konstruktive Einbeziehung der Bevölkerung, um Wirtschaftsförderung jenseits des Opiums und um den Aufbau politischer Strukturen. All dies ist unvereinbar mit dem Krieg gegen den Terror dort, unvereinbar mit OEF und Tornadoeinsätzen, unvereinbar mit einer Ausweitung der ISAF durch Verknüpfung mit OEF. (Diese Thesen habe ich kopiert mitgebracht.)
Ich komme zur Zusammenfassung und spitze meine Anliegen so zu:
Nein und Ja gehören in der Friedensarbeit zusammen: Analysen und Demonstrationen gegen Krieg und Rüstung sowie konstruktive Entwicklung von Alternativen auf vielen Ebenen.
ZKB ist eine Alternative, nicht eine Ergänzung von militärischer sog. Konfliktlösung, d.h. sie kann zwar mit Militär kooperieren im konkreten Feld, wenn gegenseitige Bedingungen und Kompetenzen geachtet werden, muss sich aber vor ideologischer Vereinnahmung durch Militär und Politik hüten!
ZKB ist ein grundsätzlich positives Programm, das mit vielfältigen Methoden arbeitet, Konflikte als Chancen ernst nimmt, Dialogbereitschaft und Lernfähigkeit auf allen ebenen fördert und die Erkenntnis und Erfahrung vermittelt, dass es viele Dritte Wege zwischen Gewalt und Feigheit/ Nichtstun gibt.
Prävention ist strikt zivil zu definieren und zu praktizieren. Präventivkrieg ist ein ideologischer Diebstahl des Wortes präventiv von der Zivilgesellschaft, um alte Politik neu zu rechtfertigen.
Das pazifistische Dilemma zwischen der Option für die Opfer von Gewalt und der Option für Gewaltfreiheit kann nur durch Internationales Recht samt Justiz- und Polizeibefugnissen überwunden werden Terror ist Kriminalität und nicht Kriegsansage.
Die Bush-Doktrin hat uns in nur 7 Jahren in einen international zunehmend gesetzlosen Zustand des Rechts des Stärkeren geführt. Die Stärke des Rechts, des Völkerrechts ist unterhöhlt. Dieser unselige, verlogene, unnütze und kontraproduktive Krieg gegen den Terror ist ohnehin nur eine Verbrämung US-amerikanischer Geopolitischer und Ressourcenpolitischer Interessen!
Beherzigen wir Gandhis Einsicht und Vermächtnis: Der Weg ist das Ziel! Das heißt also: Frieden ist der Weg. Entgegen aller Macht- und Militärpolitik von den Römern bis zur NATO sagen wir: Wenn Du den Frieden willst, bereite NICHT den Krieg vor, sondern den Frieden!
Si vis pacem, para pacem. (Wenn Du den Frieden willst, bereite den Frieden vor.)